Das komplette Interview mit Simon Bosse

Interview mit Simon Bosse

Erzähl doch mal, wie bist Du denn zur Gitarre gekommen, was waren Deine ersten Lebensjahre?

Wie ich allgemein zur Musik gekommen bin, wie ich , wie meine Familie das erkannt hat, dass ich Musiker bin - puh, ein weites Feld. Ich war schon in frühester Kindheit fasziniert von Musik, z.B. erinnere ich mich, dass ich mit meinem Vater im Auto fuhr und von Simple Minds „Mandela Day“ (released February 1989 and in their album Street Fighting Years) lief. Mich haben damals schon die Klänge in dem Refrain fasziniert, ich fand es toll, was die Klangweite mit mir machte und es gibt ein Video von mir, wie ich als kleiner Junge zu diesem Song total abgehe.

Ich hab immer schon auf Kochtöpfen getrommelt und an den Saiten der Gitarre von meinem Papa herumgezupft. Die Faszination durch Musik war halt immer da! Als ich dann vier war, bekam ich einen Kassettenrecorder. Mit dem hab´ ich dann angefangen, eigene Gesangsstücke aufzunehmen - die Kassetten hab´ ich übrigens heute noch… In dem Jahr hab´ ich dann auch meine erste Gitarre geschenkt bekommen. Es war klar, dass ich Gitarre spielen wollte, denn die erste Gitarre, in die ich mich direkt verliebt hatte, war auf einem Plattencover von BAP zu sehen - eine Fender Stratocaster. Die hab ich mir immer wieder angeguckt und mir war klar: eines Tages will ich auch so eine Gitarre spielen.

Am Tag meiner Einschulung, 1994 , habe ich meine erste Gitarrenstunde bei Klaus Krass bekommen und in demselben Jahr in der LaWi hier in Billerbeck auch mein erstes Konzert gegeben: „Sascha liebt nicht große Worte“ und „Kommt ein Vogel geflogen“.

Als kleiner Junge schon hatte ich die Vorstellung, eine eigene Band zu gründen, im besten Falle mit meinen besten Freunden auf der Bühne zu stehen - die erste war bei meinen Großeltern im Haus: die Gitarre war eine aus Pappe, die hatte ich mir gebastelt und ich hab mir vorgestellt, wie das sein würde, hier vor dem Bücherregal zu stehen und zu spielen und da vorne würden auch ein paar Zuhörer*innen sitzen…Lustigerweise hab´ ich jetzt kürzlich erst genau in dem Haus, genau an der Stelle tatsächlich mit meiner Band drei Platten aufgenommen, das ist schon ein echt cooles Gefühl!

Ich hab´ dann sechs oder sieben Jahre bei Klaus Unterricht gehabt - er war ein echt guter Lehrer für mich, denn es kam ganz schön oft vor, dass ich mit einem Stück in den Unterricht kam, es ihm vorspielte und er sagte: Also ich kann das nicht spielen, aber spiel´ Du mir das mal vor und ich geb´ dir Tipps, wie Du es noch besser hinkriegst. Für mich war das damals genau das Richtige, weil es meine Experimentierfreude total unterstützt hat. Denn von Anfang an war es mir das Wichtigste, selber Sachen herauszufinden, Klänge zu spielen, die mir vorher keiner gezeigt hatte, eigene Songs zu machen, die ich vorher noch nie gehört hatte.

Lieder nachzuspielen hat mir Spaß gemacht, aber für mich war es immer notwendig, meine Ideen, Gedanken, Emotionen in eigenen Stücken auszudrücken. Das ist das, was ich meinen Schülern ganz oft sage: Wenn Ihr selber was entdeckt, was Euch keiner gezeigt hat, ist das möglicherweise das Größte überhaupt. Fühlt Euch frei, alles auszuprobieren, ich kann Euch helfen, aber machen müsst ihr es selbst.

Mit meinem besten Freund Jonas - schon aus Kindergartenzeiten kennen wir uns - habe ich 1998 angefangen gemeinsam Musik zu machen. Den Erwachsenen war von Anfang an klar, dass ich Musiker werden würde, aber Jonas hatten sie das nie so richtig zugetraut - ich wusste aber immer, dass es er es kann und es irgendwann allen zeigen wird. Und so ist es auch gekommen - heute ist er Schlagzeuger in unserer Band und er ist ein fantastischer Drummer geworden! Zusammen haben wir dann 2002 unsere erste richtige Band gegründet - Anesthetic. Mit der haben wir sogar 2003 beim Bandcontest der Musikschule den ersten Preis geholt und einen Auftritt beim Stadtfest bekommen, dann unsere erste EP aufgenommen und so lief das weiter an. Das erste eigene Konzert mit unserer Band hab ich im Cafe Böll 2003/2004 gespielt.

2006 haben wir Spin My Fate gegründet - von da an wusste ich genau, welche Richtung ich einschlagen wollte. Ich hab viele Konzerte gespielt, hab mit Freunden eine Musikinitiative Windstärke 7 gegründet, freitags in der Fabrik einen Themenabend organisiert mit den unterschiedlichsten Musikrichtungen. 2009 haben wir dann unsere erste CD rausgebracht und in der Fabrik vorgestellt, da war die ganze Fabrik voll.

Nach dem Abi bin ich in ein totales Loch gefallen, meine Eltern meinten aber: Du musst unbedingt Musik studieren, geh´ nach Enschede, wart mal ab, das wird für Dich genau richtig sein. Ich hab immer noch gedacht: Ich schaff das nicht, weil ich von Musiktheorie keine Ahnung hab und da muss ich ne Aufnahmeprüfung machen, die krieg ich nicht hin. Aber ich hatte immer ein gutes Gehör, konnte Melodien gut nachspielen und das, was ich mir auf der E-Gitarre ausgedacht hatte, mit Bass und Schlagzeug kombinieren. Auch konnte ich mich gut organisieren, hatte immer den Überblick und viele Ideen für Bühnengestaltung, Video- oder CD Produktionen, Covergestaltung etc.

Dann war ich ein paarmal in Enschede zu Tagen und Wochen der offenen Tür. 2009 hab ich die Aufnahmeprüfung gemacht und die Dozenten sagten: „Du bleib mal schön hier. Du hast ein gutes Gehör und Rhythmusgefühl, verfügst über eine enorme Musikalität und das, was Du an Musiktheorie nicht weißt, kannst Du hier lernen.“ Ich war total überrascht, weil ich ja immer noch gedacht hatte, dass ich das eigentlich gar nicht kann. Ich war aber natürlich auch superfroh und stolz, dass es jetzt weiterging und als die ersten Prüfungen alle sehr, sehr gut liefen, wurde ich allmählich doch sicherer. Ich hatte aber auch Glück, weil ich einen Superlehrer hatte, der mir die Theorie richtig gut beigebracht hat: Aaron, ein wahnsinnig guter Schlagzeuger und toller Musikpädagoge. Der hat mir die meisten Sachen so erklärt, dass sie mir voll einleuchteten und ich auf einmal alles verstanden habe.

In den Jahren- 2009/2010 - war enorm viel los, Umzug von Gronau nach Münster, 50 Konzerte mit der eigenen Band gespielt und Gigs mit anderen Bandprojekten, unglaublich viel gelernt in Enschede… Später hab ich überlegt, wie ich das überhaupt alles geschafft habe - dann fiel es mir ein: ich hab´ verdammt wenig geschlafen in der Zeit. War natürlich nicht so gesund, das ist mir später klargeworden, weil ich eigentlich viel Schlaf brauche…Schon während des Studiums, aber auch eine Zeitlang danach, habe ich andere Musiker produziert, also mit ihnen Aufnahmen gemacht und bis zur Vermarktung betreut, aber das war auf die Dauer finanziell nicht lukrativ genug, obwohl ich es zwischendurch immer noch gerne mache.

Parallel dazu hatte ich schon länger, genau gesagt seit 2011, an verschiedenen Musikschulen unterrichtet und irgendwann kam der Kontakt zur Musikschule Coesfeld wieder. Erst hab´ ich mal in der Jury des Musikschulwettbewerbs gesessen auf Einladung von Bernd, dann kamst Du auf mich zu und fragtet, ob es nicht eine gute Idee wäre, wenn ich zu Euch ins Team kommen würde.

In der Zwischenzeit war mir klargeworden, dass ich nicht nur von meiner eigenen Kunst würde leben wollen, weil das einfach auf die Dauer zu unsicher ist. Ich hatte darüber nachgedacht, an einer Musikschule arbeiten zu wollen, wo ich eigene Ideen umsetzen kann, wo ich wirklich etwas in Bewegung setzen kann. Ich wollte nicht nur meine Stündchen abziehen und wieder verschwinden, sondern Bands unterstützen und bei der Gründung helfen, mit einem engagierten Kollegium zusammenarbeiten, im Austausch stehen und so voneinander lernen, gemeinsam Projekte durchziehen…

Die Vorstellung, hier, wo ich inzwischen wieder meinen Lebensmittelpunkt habe, dann auch arbeiten und mir eine Zukunft aufbauen zu können, fand ich toll. Bei mir passte das aber nicht sofort, und als bei Euch auf einmal ein Loch im Kollegium entstand, konnte ich noch nicht einsteigen. Da war es klasse, dass ich mit Niko gut befreundet war und der mich vorher schon mal gefragt hatte, ob ich nicht wüsste, wo noch Stunden frei wären an einer Musikschule.

Jutta: Ich war echt froh, als Du zugesagt hattest und uns auch Niko empfehlen konntest, weil ich sofort merkte, dass das richtig gut passt mit uns allen. Damals hatte ich das Gefühl: „Meine Güte, hier greift ein Rädchen ins andere und es geht wieder weiter, so, als müsste das so sein!“

Wir blicken ja jetzt zurück auf 50 Jahre Musikschule - von denen ich 32 miterlebt und gestaltet habe - und wir hatten eigentlich fast immer ein richtig tolles Fachbereichs-Team. Sei es, um nur zwei Beispiele zu nennen, dass Ad de Koning als ausgewiesener Flamenco-Spezialist die spanische Seite der Gitarre in Coesfeld bekannt machte oder Ulli Dirks sich wahnsinnig reinhängte, um den Rockmusik - Bereich der Musikschule auf- und auszubauen. Insgesamt war - und ist - das Team klasse, wir haben gemeinsam große Projekte mit Benefiz- und Themen-Konzerten in den Zweckverbandsgemeinden durchgezogen und immer wieder alle Kinder aus ihren Unterrichtsräumen zusammen und auf die Bühne geholt - tolle Veranstaltungen durchgeführt. Dass das mit Euch beiden jetzt auch wieder so gut geht, find ich total schön!

Man braucht unbedingt Visionen - das Wichtigste ist, dass man träumt! Ich find das total wichtig, dann die Träume zu verwirklichen, weil das letzten Endes die Momente sind, von denen man sich später erzählt. Wenn nur ein paar der Träume realisiert werden können, hat man doch schon viel erreicht. Man darf nur nie damit aufhören.

Ja genau, und dafür ist es wichtig, Leute zu haben, die mitziehen, denn wenn Du nur Träume für Dich träumst, ist das ´ne ziemlich einsame Sache. Eine Zeitlang hatten wir im Gitarrenkollegium nicht so eine ausgeprägte Begeisterung für gemeinsame Aktionen - jetzt mit Euch läuft das wieder und mir gefällt das echt gut, es fühlt sich wieder kreativ an und wir können mit vielen oder sogar möglichst allen in der Musikschule gestalten.

Genau, und ich seh´ es so: Es MUSS keiner mitziehen, aber die, die Bock drauf haben, können!

In der Zeit, als Ihr mich gefragt hattet, fing ich gerade auch an, mit meinem Kumpel Dennis Koehne Musik fürs Fernsehen zu produzieren, was jetzt immer mehr läuft. Mir wurde dann klar, dass das zwei richtig gute Standbeine sind, auf denen ich gern stehen möchte: auf der einen Seite die Musikschularbeit, auf der anderen die Fernseh-Produktionen und gelegentlich mal einzelne andere Produktionen. Damit ist für mich eigentlich alles gut abgedeckt, es ist ein vielfältiger Arbeits- und Lebensbereich. So habe ich außerdem die Möglichkeit meine Bandaktivitäten mit Spin My Fate, wo ich das Glück habe mit meinen besten Freunden spielen zu dürfen, umzusetzen. Das war immer mein Traum, genau das nicht nur in meiner Jugend zu machen. Wenn ich jetzt noch die Möglichkeit hätte, hier angestellt zu sein mit einem kleinen Stundendeputat, sagen wir mal mit zwei Nachmittagen, wäre ich richtig happy. Eigentlich bin ich ja jetzt auch schon happy, aber das würde genau das Quäntchen an zusätzlicher Sicherheit bringen, das jetzt noch fehlt, um die Zukunft weiterdenken zu können - eine Familie zu gründen z.B.

Diese Art der Finanzierungsmodelle über Honorarverträge ist total abwegig. Die prekären Beschäftigungsverhältnisse kamen durch einen übermächtigen Sparwillen zustande: scheinbar kann man durch Honorarverträge flexibel auf Angebot und Nachfrage reagieren, scheinbar kann man Kosten sparen. Aber was in Wirklichkeit daraus resultiert, wenn die Hälfte oder mehr des Kollegiums mit Honorarverträgen an der Musikschule angestellt wird, konnte man ja exemplarisch zu Beginn des ersten Lockdowns in 2020 sehen. Hätte man damals die Linie konsequent weiterverfolgt, den Honorarkollegen das Geld für die erteilten Stunden auszuzahlen und sie danach nach Hause zu schicken, hätten die Kollegiumsmitglieder sich als Privatmusiklehrer selbständig gemacht und ihre Schüler mitgenommen. Damit wäre die Musikschule jetzt tot.

Ich glaube aber auch - und ich sage das jetzt mit aller Vorsicht - viele Musiker sind, was das angeht, echt naiv. Künstler im Allgemeinen neigen dazu, sich sehr krass unter Wert zu verkaufen. Für mich habe ich irgendwann einmal beschlossen: Nee, das mach´ ich nicht! Alle wollen Musik hören, alle wollen Musik im Radio laufen lassen, alle wollen, dass Kultur passiert - dann muss sie auch etwas kosten, genau wie andere Dinge auch ihren Preis haben. Wie häufig ich mich zum Beispiel mit Leuten unterhalten habe, wo es um die GEMA ging. Ich bin ja in der GEMA und verdiene unter anderem über die GEMA meinen Lebensunterhalt. Und immer wieder muss ich Veranstaltern erklären, dass sie natürlich ihre GEMA-Gebühren abführen müssen, dass das notwendig ist, damit wir als Musiker überhaupt Geld von der GEMA zurück bekommen und so an Konzerten oder Einspielungen verdienen können - was viele gar nicht wussten - oder vorgaben nicht gewusst zu haben. Ich muss an dieser Stelle aber auch dazusagen dass die GEMA, vor allem Veranstaltern und Gastronomen gegenüber, reformiert werden müsste. Da sollte einiges fairer ablaufen.

Insgesamt kann ich sagen: das mit den zwei Standbeinen find´ ich richtig cool so. Es hat sich anders entwickelt, als ich es mir so als Zwanzigjähriger vorgestellt hatte, aber ich bin damit sehr happy, weil das irgendwie alles Sachen sind, die mir Superspaß machen, wo ich auf der einen Seite kreativ sein kann und auf der anderen Seite mein Einkommen habe!

Was ja unabdingbar ist, wenn man seine Gedanken sorgenfrei schweifen lassen will.

Wenn Du Dich von außen versuchst zu betrachten, was findest Du als Lehrer wichtig, darüber hinaus, dass Du den Kindern versuchst zu vermitteln, dass sie so viel wie möglich selber ausprobieren sollten?

Personenentwicklung: eigentlich versuche ich, Personen hervor zu holen. Ich versuche, ihnen grundsätzlich ein gutes Gefühl zu geben, dass sie einfach so sein können, wie sie sind. Dadurch möchte ich ihr gesundes Selbstbewusstsein fördern. Ich guck´ mir an, was ich für ein Individuum vor mir habe, wie die Person drauf ist. Je nach Alter und Talent unterrichte ich mal so, mal so, mal so. Letzten Endes ist es mir total wichtig, dass ich Schüler inspiriere, dass sie Spaß haben an der Sache und dass es ihnen irgendwie was gibt.

Wenn ich Feedback von ihnen oder von den Eltern bekomme, dass sie nach dem Unterricht besser gelaunt sind oder sich persönliche Probleme verflüchtigt haben nach dem Unterricht, wenn ich das schaffe durch Musik und durch meinen Unterricht, dann bin ich froh. Wenn ich im Unterricht z.B. jemanden dazu bringen kann, den Horizont zu erweitern, bei Auseinandersetzungen die Dinge mal aus der Sicht des anderes zu betrachten, dann finde ich das gut. Im besten Falle möchte ich von den Schülern genauso viel lernen wie sie von mir, dann schaffen wir eine Kommunikation auf Augenhöhe und dann mache ich in meinen Augen den Job gut.

Durch die Musik, mit der Musik, das Gefühl hervorzuholen, dass sie davon was mitnehmen können für ihr Leben. Ich finde es immer schön, wenn Leute sich treffen, sich finden und irgendetwas gemeinsam machen, etwas Gemeinsames aufbauen, ob das gemeinsame Songs sind oder was auch immer. Ich glaube, dass wir nur so von einer Zukunft sprechen können. Nur wenn wir alle gemeinsam wachsen, wenn wir alle ein bisschen demütig werden und füreinander denken, können wir weiter hier leben. Das fängt schon im Kindergarten an, begegnet uns in der Schule und so sehe ich meinen Musikunterricht auch. Viele Leute neigen leider schnell dazu, mit dem Finger auf andere zu zeigen und bemerken gar nicht, dass andere mit dem Finger zurück zeigen. Wohin das führen kann wissen wir ja aus Geschichtsbüchern. Meinungen co-existieren lassen zu können und zu lernen, trotzdem mit einander etwas auf die Beine zu stellen, das ist stark und hat Zukunft. Der Unterricht, den ich gebe, ist für mich nicht „nur“ Musikunterricht, sondern es sollte Bildung sein. Ich hoffe es gelingt mir einigermaßen.

Ich glaube, dass dies eine Besonderheit des Musikschullehrerdaseins ist: es ist ein großes Privileg, nur einzelne oder wenige in einer Gruppe zu haben, auf die wir uns ganz einstellen können. Wir holen sie ab, wo sie sind und können sie ganz gezielt unterstützen. Über die Beschäftigung mit Musik, egal jetzt welcher, entdeckst Du so viele schöne Sachen - oder manchmal auch unangenehme, die letztlich wieder zu etwas Schönem führen können. Ich finde es immer unheimlich schön, wenn ich merke, wie ein gewisses Interesse und eine gewisse Neugierde entstehen. Man sieht das manchmal direkt im Unterricht: wenn ich selbst ein Stück vorspiele oder die Schüler*innen etwas spielen, verändert sich auf einmal der Gesichtsausdruck und Du weißt, jetzt sind sie angekommen, in dem Stück, bei der Gitarre, bei der Musik - da muss man dann gar nichts mehr sagen…! Mir ist das auch schon ganz oft so gegangen, besonders auch in klassischen Konzerten, z.B. bei dem, das Ihr damals in der Kapelle in Aulendorf gegeben habt mit dem Gitarrenensemble, dass ich beim Zuhören in den Stücken versunken bin, das war toll!

Ach ja, nach unserer CD Einspielung damals! Da waren wir richtig gut, weil wir ein halbes Jahr intensiv zusammen geübt hatten und dann die anstrengende Einspielung im Tonstudio hinter uns hatten. Was uns bei der ganzen CD Produktion getragen hat, war, dass wir das alle gemeinsam angegangen sind. Wir hatten die Idee gehabt, uns einen Zeit- und Finanzrahmen gesetzt und konnten uns auf dem Weg wunderbar unterstützen.

Das ist was, was ich auch in Zukunft unbedingt gerne machen möchte: schöne Produktionen mit dem Gitarrenensemble oder ne richtig dicke Orchesteraufnahme … da hätte ich richtig Bock drauf, einen Sampler so wie jetzt mit den Schüler*innen, ein Video oder irgendwas. Darauf freue ich mich, wenn wir wieder so etwas wie eine "Normalität" erleben dürfen.

Ich mich auch, ehrlich! Im Moment allerdings ist es ganz schön schwierig, die Leute zu finden, die das Handwerkszeug haben, so zu musizieren, dass es eine lohnenswerte Produktion würde. Die Fähigkeiten müssen entwickelt werden und es gibt Phasen auf dem Weg, die extrem wenig lustbetont sind. Das durchzustehen schaffen nicht viele - aber wenn sie es mal schaffen, können sich eben solche Stücke ereignen und auch aufgenommen werden, die dann für viele andere wieder die Möglichkeit bieten, in andere Welten zu verschwinden, und sei es auch nur für ein paar Minuten.

Über Schülereltern und meinen Kumpel Dennis kenne ich die Anforderungen im Klassikbereich, da musst Du echt extrem viel Arbeit reinstecken. 10.000 mal etwas wiederholen, damit es perfekt ist, das ist richtig, richtig anstrengend, das ist wie Hochleistungssport! Ich steh´ auch total auf die Musikrichtung, gerade in letzter Zeit (und allgemein im Winter) hör´ ich viel Klassik und ich find´s mega faszinierend! Aber was das Musik machen angeht, bin ich doch froh, auf der „anderen“ Seite zu stehen, Du schaffst mehr in der gleichen Zeit.

Du schaffst anderes, du lernst, in einem Musikstück spazieren zu gehen und immer neue Ecken und Winkel aufzuspüren - du experimentierst nicht, um eigene Gedanken in eigene Klänge zu verwandeln, sondern machst Dir die Gedankenwelt eines anderen zu eigen. Das ist ein bisschen so wie ein Buch zu lesen, dass jemand anderes geschrieben hat und in das man eintaucht, in dem man spazieren geht. Dadurch, dass man die Klänge, die vorgegeben sind, selbst zum Leben erweckt und gestaltet, schafft man die eigene Welt mit eigenen Farben und Gerüchen…

Jau, das ist gut ausgedrückt. Wichtig meiner Meinung nach bei all´ diesen Dingen ist der gegenseitige Respekt. Gute Musik ist letzten Endes immer Musik, die von Herzen kommt, welche Richtung man da für sich bevorzugt, ist immer subjektiv. Gut gemachte Musik ist gut gemachte Musik, aber nicht jeder hat dafür ein gleich gutes Gehör. Ich war immer totaler Musikfan. Klar, ich bin überwiegend Rock- und Popmusiker, aber ich war immer schon Fan von allen möglichen Genres: Klassik, Hip Hop, Jazz, Soul, Reggae, egal was, Hauptsache gute ehrliche Musik, die mich berührt! Sich manchen Richtungen komplett zu verschließen halte ich für eine mentale Sackgasse. Mich hat das Schubkastendenken genervt, ich hab´ mich - auch als Jugendlicher - nie einer Szene zugehörig gefühlt. ich hab die krassesten Hiphop- und Skaterklamotten getragen und gleichzeitig die härteste Rock-, Punk- und Metalmusik gemacht. Alle hörten Linkin´ Park und Limp Bizkit, ich auch natürlich, aber gleich danach hab´ ich z.B. gerne Sting, Lauryn Hill, Pantera oder Madonna gehört. Ich denk immer: „Hey Leute, öffnet Euch doch mal für alles, probiert so viel wie möglich aus und lasst ganz viel an euch heran - es gibt so viel Tolles zu entdecken! Es gibt überall so großartige Stücke zu hören in allen Stilrichtungen - klar gibt es auch viel Mist, aber das muss man halt lernen zu unterscheiden. Und selbst das ist teils subjektiv.“

Wenn ich jetzt so zurückblicke: Für mich war das immer klar, dass ich Musik mache. Mein großer Traum war, mit meinen besten Freunden zusammen Musik zu machen - hab´ ich geschafft. Ich versuch´ das an die weiter zu geben, für die das auch zutrifft, die vielleicht nur nicht wissen, wie so etwas klappen kann oder die sich unsicher sind, ob sie das überhaupt schaffen können. Da ist es dann ganz gut, da zu sein und zu sagen: Hey, das klappt, guck mal, ich hab´s auch geschafft und kann dir ein paar hilfreiche Tipps geben. Man sollte da immer auch an sich selbst glauben, und das ist auch ein wichtiger Teil meines Unterrichts, zu sagen: Hey, wenn du für irgendwas brennst oder an irgendetwas Spaß hast, mach das auch! Auch wenn es nicht die Musik ist. Man muss sich immer wieder mal die Zeit nehmen und sich vor Augen halten, warum wir das alles eigentlich machen. Warum haben wir damit damals überhaupt angefangen? Letzten Endes geht es darum, und das ist mir persönlich total wichtig, dass jeder, egal ob Lehrer oder Schüler, wenn er die Musikschule betritt, das Gefühl haben sollte: Ja, hier bin ich gern!

Wenn das nicht so ist, dann muss man überlegen, woran das liegt! Ich find´s persönlich blöd, wenn jemand hinten rüber kippt oder verloren geht, nur weil man nicht drüber geredet hat. Probleme sind dazu da, dass man sie löst, das geht fast immer mit drüber reden. Das Wichtigste überhaupt dabei ist, dass man im Austausch steht, offen miteinander umgeht und nichts in sich hineinfrisst. Wenn man am Abend eines Tages da mit dem Bierchen sitzt und sagt: Unterm Strich war´s ein cooler Tag heute - vielleicht war das eine oder andere nicht so gut, das machen wir morgen besser, dann ist es genau richtig.

Das wünsch ich mir sehr, dass wir viele gemeinsame Projekte machen und möglichst viele aus der Musikschule mit einbinden. Auch Sessions: einfach mal mit andern frei zusammen spielen und sich daran freuen, das man von den anderen mitgezogen wird - ich weiß, dass das unheimlich viel Positives mit einem machen kann, aber auch viel Negatives hoch holen kann was es zu verarbeiten gilt! Wichtig dabei - nichts muss, aber wer will hat die Möglichkeit.

 

• © 2024 Weiterbildung & Kultur •